Angeregt durch eine Diskussion über „Schlechtwetter – Aktivitäten“ für Urlaubsfamilien mit meinem Bruder, der mich neulich hier in Schwangau kurzentschlossen besucht hat, schnappte ich mir heute bei bestem Wetter meinen alten Drahtesel und fuhr in wenigen Minuten zum Fuße des Tegelbergs.
Ich hatte ein besonderes Ziel im Auge, das mich und meine Familie immer wieder zu Abstechern reizt. Der Hintergrund ist wie folgt:
Alljährlich gab es für mich als Kind bei unseren jährlichen Familienurlauben am Forggensee ein besonderes Highlight:
Der gemeinsame Bau von Wasserrädchen an einem der Gebirgsbäche unweit vom Schloss Neuschwanstein!
Schon vor der Errichtung der Tegelbergbahn (1966-1968) hatten wir hierfür oberhalb der heutigen Talstation unser besonderes Plätzchen gefunden. Doch bevor sich der gesamte Tross von 4 befreundeten Familien nebst dem kleinen Terrier „Bubi“ aus Hannover meist Sonntags auch bei schlechterem Wetter in Bewegung setzte, bastelte und kreierte jede Familie eifrig ihr ganz persönliches Rädchen in der Werkstatt unseres lieben Quartiergebers (später wurden bereits kleine technische Wunderwerke von Zuhause eigens mitgebracht, nur um die anderen Exponate mit einer gewissen Genugtuung zu toppen )) ).
Nach kurzem Aufstieg waren wir dann endlich wieder einmal an diesem herrlich einsamen Plätzchen angelangt, das uns schon von weitem mit seinem Gurgeln und Rauschen empfing. Die Mütter bekamen galant Steighilfen über den stacheligen Kuhzaun und wir Kinder wurden entweder drüber gehoben oder kletterten unten durch. Kaum angekommen, suchten die Familienoberhäupter mit lautstarker Unterstützung der eigenen Sippe nach dem optimalsten Standort für ihr Superrädchen.
Technisch sehr individuell ausgestattet (es gab welche mit langen, kurzen, schmalen, breiten vielen, oder wenigen Schaufelblättchen) brauchte es auch für jedes Rad einen ganz besonderen Platz in dem munter dahinplätschernden Nass. Beim Traversieren von Stein zu Stein wurde so mancher Schuh erst ausgezogen, wenn es zu spät war. Fehltritte der Erwachsenen führten immer zu Gelächter – bei uns Kindern zu vorwurfsvolles Schelten. Barfuß ging es natürlich besser aber es gehörte schon eine gehörige Portion Mut dazu dem eiskalten Gebirgswasser zu trotzen.
Alle waren sie glücklich, wenn die Bauwerke endlich ihre Tätigkeit aufnahmen – was nicht immer einfach war. Oft mussten noch Strömungsverhältnisse durch geschickte Manipulationen von Kinderhänden mittels herbeigeschleppter „Wacker“ den meist schlichten, Vorort aus Ästen geschnitzte Kreationen auf die Sprünge helfen. Aber irgendwann liefen auch die zur Freude aller Beteiligten. Unsere fürsorglichen Mütter freuten sich über die Leerung ihrer Provianttaschen und ich denke mich erinnern zu können, dass bei dieser „coolen Action“ auch die eine oder andere wassergekühlte Flasche Bier ihre Abnehmer fand.
Und selbst beim jüngsten Teilnehmer (Jahrgang 63) kam der Spassfaktor nicht zu kurz. Mit zunehmender Freude registrierte er lernfähig die spitzen Schreie und gesteigerte Aufmerksamkeit, die ihm seitens der betroffenen Damen am Uferrand dank seiner kleinen Handvoll Steinchen und der damit produzierten Wasserfontänen zuteil wurde. Der Ruf zum allgemeinen Aufbruch kam natürlich immer zu früh. Noch interessanter wurde dieser jährliche Programmpunkt für mich, als ich bei einem jener Ausflüge quasi beim Verlassen der Stätte (die meisten Wasserrädchen durften übrigens stehen bleiben) einen ovalen, länglich gespaltenen Stein aufhob, auf dessen Oberfläche deutlich ein versteinerter Fisch zu sehen war.
Seit diesem Tag bin ich immer wieder einmal auf der Suche und so manche gemeinsame Wanderung fand deswegen ihren Abschluss an einem kühlen Gebirgsbach. Dieses Interesse an solchen Funden teile ich übrigens mit meiner ganzen Familie und es erstaunte mich trotz meiner exzellenten Augen (in Afrika nannten sie mich deswegen Eagleeye) immer wieder, dass unser Ältester, der auch jedes 4-blättrige Kleeblatt nach Hause brachte, immer erfolgreicher war als ich. Wenn die gefundenen „Exponate“ nach dem Urlaub nicht wochenlang im Fond unserer Familienkutsche herum klackerten, fanden sie einen schönen Platz in unserer heimischen Vitrine. Dass meine Frau übrigens bereits im Besitz eines Geologenhammers war als ich sie mit meinen 23 Lenzen kennenlernte, möchte ich hier nicht unerwähnt lassen ;).
Wenn Sie sich bis hierher durchgelesen habe danke ich Ihnen natürlich für Ihre Aufmerksamkeit. Doch möchte ich Ihnen hier abschließend die Frage stellen, die mich seit dem Gespräch mit meinem Bruder beschäftigt:
Kann man unsere technikverwöhnten Stadtkinder für eine solche Aktion heute noch von ihren Gameboys (oder wie die Dinger jetzt heißen mögen) loseisen???? Ich behaupte: JA!
Gerne mache ich nächstes Jahr die Probe aufs Exempel und stelle mich als Guide zur Verfügung.
Zugegeben: Was Versteinerungen angeht bin ich heute leider nicht fündig geworden aber ich habe mich mit einem frischen Radler auf der bachnahen Reith – Alpe getröstet und mich hier am wunderbaren Blick auf Schloss Neuschwanstein erfreut. Das nächste Mal werde ich wieder in Begleitung dorthin gehen – 4 Augen sehen bekanntlich mehr als 2.
Bis dahin liebe Grüße aus dem heute sonnigen Allgäu
R.Schütz
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2 Kommentare - Wo der Wildbach rauscht…
Michael
Liebes Igel-Ei !
Ich glaube schon, dass man Kiddies für Wasserräder vom Gameboy weglocken kann.
Bei deiner Schilderung habe ich mich auch in meine Kindheit zurückgesetzt gefühlt, wo ich in meiner alten Heimat an der Isar stets auch Wasserspiele startete (kleine Boote bauen, Staudämme errichten und und und).
Ich freue mich schon, wenn du, lieber Roland, mir nächstes Jahr meinen ipod wegnimmst und wir zusammen Wasserrädchen bauen. Zur Not können wir ja -wenn das Wetter bayrisch schlecht ist- auch Radler durch die Rädchen in Maßkrüge laufen lassen !
Mit bajuwarischem Gruaß und herzlichem Pfiad' di
Michael
RSchuetz
Lieber Michael,
habe herzhaft über Deine Antwort gelacht. Der Gedanke die Rädchen durch Radler anzutreiben – einfach köstlich! Hauptsache die Quelle versiegt nicht… 😉
Wäre ein Thema für meine nächste Geschichte übers Radeln. Wir radeln zum Radler (auf der Alm) mit Rädchen im Gepäck und zur zünftigen Brotzeit gibt´s auch Rad-iesschen.
LG
R.